Das Schulhaus am Agilolfingerplatz in Untergiesing ist eine der großen Münchner Grundschulen der Jahrhundertwende. Mit seinem steilem Satteldach, Giebeln und säulenverzierten Eingängen erscheint es den Kindern wie ein Schloss- es ist ihr “Schulschloss” . Das Haus gibt es nun seit 100 Jahren, und es kann auf eine reiche Geschichte zurückblicken: Sicherlich ist die nachfolgende Schulhausgeschichte nicht vollständig.
Eine Schule lebt von ihren Schülern und Schülerinnen und deren Geschichten. Ihre Erlebnisse können wir nicht alle darstellen. Viele Fragen bleiben offen: Gab es an unserer Schule eine Schulspeisung? Ab wann wurden Mädchen und Buben gemeinsam unterrichtet? Wie lange gab es Samstagsunterricht? Seit wann ist unsere Schule nur eine Grundschule? Auch zu den Hausbewohnern, Kindergarten und Hort fanden sich leider kaum Informationen aus vergangenen Tagen. Doch vieles wissen wir:
1878 Für die Schüler und Schülerinnen in Giesing wurden Mietlokale angemietet. Die Bedarfszahlen waren so gestiegen, dass der vorhandene Raum nicht mehr ausreichte.
1895–97 An der Kolumbusstraße wurde eine Volksschule als “Musterschule” durch Carl Hocheder errichtet. Um die Jahrhundertwende war die Bezeichnung “Münchner Architektur” ein Qualitätsbegriff — auch im Ausland. Speziell zwei Gebäudetypen wurden zu einem beliebten “Exportartikel”: Der “Bierpalast” und das “Schulhaus”. Mit Carl Hocheders “Volksschule am Kolumbusplatz” war der vorläufige Höhepunkt erreicht.
1898 Seit diesem Jahr waren in den Volksschulen Schulgärten, Brausebäder und die Turnsaal-Anbauten feste Bestandteile. Schulküchen, Schulwerkstätten und Horte wurden bei Bedarf eingefügt.
1905 Der Bau eines Schulhauses in Untergiesing begann. Es wurde von dem damaligen Stadtbaurat Hans Grässel in den Jahren 1905–1907 (Baubeginn: 19.10.1905 — Fertigstellung: 6.11.1907) für die Stadt München für ca. 1700 Kinder entworfen und quasi aufs freie Feld gebaut, auf einem Gesamtgrundstück von 12200 qm (davon 3000 qm bebaute Fläche). Hans Grässel ist einer der bekanntesten Münchner Schulhausarchitekten. Ihren Namen erhielt die Schule vom Herzogsgeschlecht.
Zu Beginn umfasste die Volksschule die Klassen 1- 6 und war in eine Mädchen- und eine Knabenschule getrennt. Noch heute zeugen die beiden separaten, damals schön bemalten (Knaben- und Mädchen-) Eingänge von dieser Einteilung. Bereits ab 1907 gab es einen Kindergarten und einen Hort im Erdgeschoss und auch eine Berufsschule war im Gebäude untergebracht.
1914–18 Während des ersten Weltkriegs diente die Schule als Lazarett, der Unterricht wird in diesen Jahren in der Columbusschule erteilt. Die Columbusschule galt ab den 20er Jahren als evangelische “Konfessionsschule”.
1918–39 Der Unterricht konnte normal stattfinden. 1921 wurden von der Lazarettabwicklungsstelle 134865,00 Mark überwiesen, zur Behebung der durch die Nutzung entstandenen Schäden. Wegen steigender Kosten und Materialpreise reichte der vorgesehene Verwaltungskredit nicht aus. Es wurden weitere 500 Mark bewilligt. 1929 wurde um gründliche Reparatur des südlichen Eingangstores erbeten.
1939–45 Im zweiten Weltkrieg gehörten Luftschutzübungen zum Schulalltag. Das Schulhaus beherbergte nun auch das Fahrnisamt sowie die Möbelbeherbergungsstelle und eine Schreinerei. Zudem wurde die Schule wieder als Lazarett benutzt (Reservelazarett München, Teillazarett Agilolfingerschule). In der Nacht vom 06. auf den 07.09.1943 wurde die Schule jedoch durch Sprengbomben so schwer beschädigt, dass sie als Lazarett nicht mehr in Frage kam: Schwerste Spreng- und Brandbombenschäden zerstörten beide Turnsäle und das Treppenhaus des Knabenaufganges. Es gab so gut wie keine heile Glasscheibe mehr, alle Wasserleitungen waren defekt, die Zentralheizung war unbenutzbar und auch Licht nicht vorhanden. Das ganze Schulgebäude galt nach Aussage des Betreuers der Schule vom Hochbauamt als “abgeschrieben”.
1944 war ein Jahr lang gar kein Unterricht. Der Hort war in der Hans-Mielich-Strasse, auch der Kindergarten.
1946 Die Situation an der Schule war sehr schwierig. An Unterricht war kaum zu denken. Die Klassen konnten nur 6 Stunden pro Woche unterrichtet werden, ohne Lehrmaterial und Schulbücher. Es standen nur 8 Klassenzimmer zur Verfügung. Beim Altenheim und der Pfarrei gab es große Gärten. Hier wurden nun Baracken für Flüchtlingskinder gebaut. Die Flüchtlingskinder gingen in die Agilolfingerschule. Die Schulleitung erbettelte sich Scheine für 12 cbm Holz, 2 Zentner Nägel, 700 kg Blech für Ofenrohre und Dachrinnen. Der Offiziant (damals übliche Bezeichnung für einen Unterbeamten), Herr Schmid, nutzte jede Stunde und erwarb sich bei der “Wiederherstellung” des Schulgebäudes besondere Verdienste. Die Betreuung durch das Hochbauamt setzte erst im Jahr 1947 ein. Maurer- und Schreinerarbeiten wurden durchgeführt und im September des gleichen Jahres wurde in sechs notdürftig eingerichteten Schulzimmern der Unterricht wieder aufgenommen. Zunächst nur im 1. Stock, da die Treppen kaputt waren. In der Offizianten-wohnung befand sich eine Schreinerwerkstatt. Diese sollte nun in den Keller ziehen. Bald konnten noch vier weitere Klassenräume genutzt werden. Ein Kindergarten wurde eingerichtet.
Bis 1954 Zwölf weitere Schulsäle konnten nutzbar gemacht werden. Es gab inzwischen auch wieder Zentralheizung und elektrisches Licht. Die sanitären Anlagen wurden zum Teil in Ordnung gebracht.
1957 Die Volksschule am Agilolfingerplatz wurde mit einem Kostenaufwand von 750 000 Mark aufgebaut, renoviert und entsprechend eingerichtet.
1958 Die Schule feierte ihr 50-Jähriges Jubiläum. Zu den Gästen zählten Oberbürgermeister Thomas Wimmer und Stadtschulrat Anton Fingerle. Die Kinder sangen und tanzten für die Gäste. Auch wurde die erste Generalinstandsetzung durchgeführt. Nun standen wieder 36 Lehrsäle zur Verfügung, die von 20 Volksschulklassen und 60 Klassen der Kaufmannsschule für Kontoristen benutzt wurden. Ein Freizeitheim wurde eingerichtet und erhielt einen eigenen Eingang. Eine Bereicherung war auch der Schulgarten, der vom Gartenbauamt angelegt wurde. Hier war auch der Lehr- und Übungsgarten mit Wasserbecken. Auch das Gartenbauamt hatte zeitweilig eine AußensteIle in unserem Schulhaus. Die Kosten beliefen sich auf 715000 DM.
1966 Die Bezirkssportanlage wurde errichtet. Der Filmsaal über der Turnhalle zog das ganze Viertel an. Nachmittags wurden hier Filme für Kinder gezeigt. Ab ca. 1970 wurde er kaum noch genutzt. Im Schuljahr 1966/67 sprachen sich 75% der Elternschaft gegen das Schulbaden aus, eine um die Jahrhundertwende eingeführte, hygienische Maßnahme, die damals als sehr fortschrittlich galt.
1968 Dem Wunsch der Eltern wurde Rechnung getragen und das Schulbaden eingestellt. Frau Voith, die seit Kriegsende das Schulbaden betreut hatte, ging in Pension. Im selben Jahr fanden auch umfangreiche Umarbeitungen im Kindergarten statt. Die Volksschule wurde stufenweise zur Grundschule. Das 9. Schuljahr wurde eingeführt und zunächst mussten die Kinder ab der 7. Klasse eine andere Schule besuchen.
1969 Durch einen Volksentscheid wurden die Bekenntnis- und Gemeinschaftsschulen aufgelöst, es gab nur noch eine Schule: die christliche Gemeinschaftsschule. Die 255 Kinder der Gemeinschaftsschule am Agilolfingerplatz gingen zurück in ihre Schule am Mariahilfplatz.
1984 Die Stadt München genehmigte eine weitere große Renovierung: Das Dach wurde neu gedeckt und die alten, “barockisierenden” Fassaden originalgetreu wiederhergestellt.
1992 Die Berufsschule zog aus. Die dringend notwendige Generalinstandsetzung des denkmalgeschützten Schulhauses, wurde aufgrund der Finanznot der Stadt weiter aufgeschoben. Besonders die beiden Turnhallen waren in desolatem Zustand.
1998 Im Oktober dieses Jahres gingen Teile der Elternschaft auf die Barrikaden und bekamen Unterstützung vom Bezirksausschuss. Der Stadtrat beschloss die Generalsanierung der Agilolfingerschule für 36,8 Millionen Mark. Das Heizungssystem war in einem maroden Zustand, die Heizkörper ließen sich nicht einzeln regulieren und waren rostig. Geplant waren neben den dringenden Renovierungsarbeiten die Einrichtung eines behindertengerechten Zuganges, die Modernisierung der Turnhallen und die Erweiterung der Sport- und Freizeitfläche. Außerdem wurde Platz für die Mittagsbetreuung geschaffen. Der viergruppige Kindergarten bekam einen abgeschlossenen Bereich mit separatem Eingang und eigenem Treppenhaus und der Hort (ebenfalls vier Gruppen) zog in den dritten Stock.
2000/01 Am 05.06.2001 war Baubeginn. Als erstes stellte sich heraus, dass die Turnhallen aufgrund der schlechten Bausubstanz abgerissen und völlig neu gestaltet werden müssen Der Sportunterricht konnte in dieser Jahreszeit größtenteils noch im Freien auf dem Schulgelände bzw. auf der benachbarten Bezirkssportanlage stattfinden. In der letzten Schulwoche 2001 begann der Umzug des Kindergartens in die Container. Der Hort bekam vorläufig die alten Räume des Kindergartens. Der Griechischen Schule, die sich auch im Gebäude befand, wurde von der Stadt gekündigt. Sie musste neue Mieträume beziehen. Am 26.01.2001 protestieren Schüler und Eltern der Griechischen Schule gegen die Kündigung.
2001/02 Da vom Turnhallentrakt nur noch die Außenmauern standen, mussten in diesem Schuljahr alle Schülerinnen und Schüler zu den Sportstunden mit Bussen in so genannte “Nebenunterrichtsstätten” gefahren werden. Die Grund- und Hauptschule an der Ichostraße stellte dankenswerterweise dafür ihre Sporthallen zur Verfügung. Am Ende des Schuljahres mussten mit großem Arbeitsaufwand der Lehrkräfte und des Offizianten Herrn Spielbauer alle Klassenzimmer und Verwaltungsräume geräumt werden. Der Transport der Gegenstände und der Umzugskisten in die Räumlichkeiten des 1. Bauabschnittes erfolgte durch eine Umzugsfirma während der Sommerferien.
2002/03 Zu Beginn des Schuljahres konnten die fertig gestellten Räumlichkeiten des 1. Bauabschnittes bezogen werden. Aber auch in diesem Schuljahr waren die Raumverhältnisse noch sehr beengt. Der neue Mehrzweckraum und der neue Musiksaal mussten für die Unterbringung von Klassen genutzt werden (2a, 3c). Die beiden Mittagsbetreuungsgruppen waren in zwei kleinen Nebenräumen untergebracht. Der Kindergarten war auch in diesem Jahr noch im Containerbau zu Hause. Im Juni/Juli 2003 wurden die Freiflächen vor dem Schulhaus und der Schulgarten neu gestaltet.
2003/04 Zu Beginn des Schuljahres war auch der 2. Bauabschnitt weitgehend fertiggestellt. Schule, Mittagsbetreuung und die Kindertagesstätte konnten in ihren Räumen den Betrieb aufnehmen. Die Container des Kindergartens wurden abgebaut. Am 05.11.2003 wurde schließlich der 2. Bauabschnitt an das Schulreferat übergeben.
Das hatte es in der frisch renovierten Grundschule am Agilolfingerplatz 1 noch nicht gegeben. Mit Staubtuch und Schwamm hatte Bayern-Profi Torsten Frings mit 22 kleinen Helfern im Lehrerzimmer der Schule für Ordnung gesorgt. Dem 28-Jährigen gefiel die Idee sofort, um auf den “Tag der Staub-Engel” aufmerksam zu machen und um weitere Schulen für die Teilnahme am Projekt zu begeistern. “Viele Kinder auf der Welt haben nicht einmal die faire Chance auf einen guten Start ins Leben. Mit dem Staub-Engel-Projekt können wir jetzt etwas für Kinder in Peru tun”, sagt der Fußball-Nationalspieler.
Für das ehemals düstere und unübersichtliche Schulgebäude erreichte die Münchner Künstlerin Scarlet Berner mit ihrem Farbleitsystem eine besseren Orientierung: eine für jedes Stockwerk charakteristische Farbe hilft dabei, sich im Haus schneller zurechtzufinden. Diese Farben kehren auf den Säulen der Pausenhalle wieder. In übertragener Form greift sie bei dieser Farbkonzept die Originalgestaltung von Hans Grässel auf. Vor der Schule installierte der Künstler Bernhard Härtter einen Geländerstab aus Bronze. Versehen mit Tierfiguren, Autos und Flugzeugen ist er nicht so sehr zum Festhalten gedacht, als vielmehr Tasten, Erforschen und Entdecken. Auf diese Weise lernt das Kind seine eigene Welt zu begreifen. Das Schulhaus ist für viele Kinder ein Zuhause, sie verbringen auch ihren Nachmittag hier.
Quellen: Die verwendeten Bilder stammen aus dem Münchner Stadtarchiv, vor allem aus der Sammlung Hochbau und der Sammlung Pettenkofer. Die neueren Bilder stammen von den Eltern der Kinder. Dokumente zur Geschichte stammen ebenfalls aus dem Münchner Stadtarchiv (Loichinger, Albert (1980): Schulen in München. München).